März 2020
Da wir zur Zeit daheim bleiben sollen, lade ich ein, sich mit mir nach Kuba aufzumachen, zu einer Reise in Bildern. Heute: Malecón, Havanna
Malecón, Havanna
Ich schaue auf das Meer. Schön und schön kitschig, die untergehende Sonne. Vor mir die eisernen Sesseln des Restaurants, soeben bekomme ich das bestellte picksüße Tres Leches serviert, träume ich. Auch davon, wie auf der gegenüber liegenden Seite der Straße der einzelne Trompeter, selbstvergessen scheint es, das Lied Como fue ertönen lässt. Über die Mauer könnten einzelne Gischtfontänen des Atlantiks schwappen. Doch heute ist es ruhig, das Meer, spiegelglatt fast. Nur riechen kann ich es. Sogar jetzt. Ich möchte mit meiner Hand über die mittlerweile kühle Oberfläche des Metalltisches streichen, als eine Wohltat nach der Hitze eines fast vergangenen Tages. Eine andere Melodie dringt zu mir. Die warme Stimme von Omara Portuondo: Quizás, Quizás, Quizás. Ich kann die Augen schließen und mich von diesen Tönen entführen lassen. Doch zuvor hole ich das klitzekleine Gläschen, das dem sieben Jahre alten bernsteinfarbenen Rum vorbehalten ist. Den ersten Schluck überlasse ich den Santos, so wie es Brauch ist an jenem Ort, und einen kleinen weiteren gewähre ich mir. Kaum ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, bade ich in der Wärme des aufkommenden Abendwindes, lausche dem Brechen der Wellen, so als wäre ich dort. Spüre den Herzschlag dieser Stadt, verortet in den Abendstunden genau hier an der Uferstraße, kurz aufgenommen von jener Trompete, zu dem sich Tamburine gesellen, Gitarren und allerlei Hausrat, ein Orchester der Lebensfreude in einer von Armut gebeutelten Stadt. Blitzschnell wieder verschwunden, um nicht der allgegenwärtigen Obrigkeit anheimzufallen, sich vermutlich andernorts zusammenfindend in stets sich verändernden Variabeln.
Ich schaue auf das Meer, überlasse mich dem Rhythmus Havannas. Ein Bild bloß heute, eine Sehnsucht. Aber bald, so hoffe ich …